Brasilien Spotlight „Abholzung schließt Brasilien von den Zielen des Pariser Klimaabkommens aus"
Neue Daten bezüglich der Abholzung des Amazonas für 2020 und Bolsonaros Auflösung von Brasiliens Umweltinstitutionen untergraben das Pariser Klimaabkommen. Viele brasilianische Unternehmen, auch aus dem Agrarsektor, klagen über die Auswirkungen
In nur einem halben Jahrhundert sind zwanzig Prozent des brasilianischen Amazonaswaldes verschwunden. Offizielle Zahlen zur jährlichen Entwaldung in Brasilien, die vom Nationalen Institut für Weltraumforschung (INPE) im November 2020 veröffentlicht wurden, zeigten, dass von den über 2,5 Millionen Quadratmeilen Wald, die 1970 existierten, über 505.000 Quadratmeilen verschwunden sind - 19,8 Prozent, um genau zu sein.
In den letzten zwei Jahren unter der brasilianischen Regierung Bolsonaro hat die Abholzung um über 6.200 Quadratmeilen im Jahr 2019 und über 6.800 Quadratmeilen im Jahr 2020 zugenommen. Die Geschichte zeigt, dass es für Brasilien immer schwieriger werden wird, seine Verpflichtung zur Null-Abholzung zu erfüllen, zusätzlich zur Wiederherstellung von über 74.500 Quadratmeilen beeinträchtigter Waldökosysteme bis 2030: ein Ziel, das im Pariser Klimaabkommen 2016 vereinbart wurde.
Brasilien ist der siebtgrößte Verursacher von Treibhausgasen in der Welt, mit einem Anteil von 2,9 Prozent an den gesamten weltweiten Emissionen. Im Jahr 2018 setzte das Land 2 Milliarden Tonnen Treibhausgase frei, 44 Prozent davon durch Landnutzungsänderungen im Amazonas und im Cerrado (ein tropisches Savannengebiet) und 25 Prozent durch die Landwirtschaft. Ein Großteil der Abholzung ist illegal.
Die Regierung Bolsonaro ist dabei, die in den letzten dreißig Jahren aufgebauten Umweltinstitutionen zu demontieren. Eine dieser Institutionen ist
INPE (Brasiliens Nationales Institut für Luft- und Raumfahrtforschung). Im Jahr 2019 entließ der Präsident den Direktor des INPE, nachdem dieser mit der Kritik des Präsidenten an den Abholzungsdaten nicht einverstanden war.Vor zwei Wochen, als das Institut die Zahlen für 2020 veröffentlichte, kündigte der Minister für Wissenschaft und Technologie eine 15-prozentige Kürzung des Budgets der Institution für 2021 an.
Die Regierung fror auch die Beiträge ein, welche die Umweltschutzverbände des Amazonas-Fonds versorgten, der von Norwegen und Deutschland finanziert wird, löste den Nationalen Umweltrat auf, das politische Handeln in den Regionen zu beaufsichtigten, und stoppte die Erhebung von Umweltstrafen. Im Kongress verteidigen Verbündete des Präsidenten Vorschläge, indigenes Land für Investitionen zu öffnen.
Die jährlichen Abholzungsraten sind zu einem nationalen wie auch globalen Problem geworden. Die Analyse des Landes durch die Fernerkundung von INPE sowie die Bilder der Satelliten Landsat, CBERS-A und Indian Remote Sensing haben die Wahrnehmung des Amazonas verfeinert. Der Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Erik Solheim, stellt fest: "Das System zur Satellitenüberwachung in Brasilien ist bei weitem das beste der Welt; es gibt nichts Vergleichbares für tropische Wälder."
Dank INPE weiß das Land genau, wo die Abholzung stattfindet - am östlichen, südöstlichen und südlichen Rand des Amazonas, der Region, die als "Arc of Deforestation" bekannt ist - und wie diese auf 80 Prozent der erhaltenen Wälder im Norden, Zentrum und Westen einwirkt.
Die Wälder im Norden des Bundesstaates Pará bleiben unversehrt. Im Westen, im Bundesstaat Amazonas, sind 95 Prozent der ursprünglichen Vegetationsdecke intakt. Deshalb wurde der zukünftige Bau der Straße BR-119 von Porto Velho nach Manaus, der eine neue Front der Abholzung eröffnen wird, zu einem ökologischen Albtraum. Manaus, eine Stadt mit 2,7 Millionen Einwohnern, hat auf dem Land keine Anbindung an den Rest des Landes. Die Bevölkerung fordert lautstark eine feste, asphaltierte Straße.
Die jährliche Abholzungsrate hat sich schon einmal verschlimmert, aber Brasilien hat gezeigt, dass sie durchaus fähig sind, sie einzudämmen. 1995, während der Regierung von Fernando Henrique Cardoso, wüteten Brände auf einer Fläche von 18.000 Quadratmeilen, was zu einer Änderung des brasilianischen Forstgesetzes führte, das den Erhalt von 80 Prozent der Vegetation auf ländlichen Grundstücken im Amazonasgebiet vorschreibt und die Nutzung des Landes auf nur 20 Prozent beschränkt.
Im Jahr 2004 veranlasste ein weiterer alarmierender Vorfall von mehr als 16.500 Quadratmeilen Verwüstung die Regierung Luiz Inácio da Silva, den Aktionsplan zur Prävention und Kontrolle der Entwaldung im legalen Amazonasgebiet zu erlassen, einer soziogeografischen Verteilung, die neun Bundesstaaten Brasiliens umfasst.
Entgegen allen Erwartungen war der Plan erfolgreich. Mit Investitionen in Inspektionen, der Koordinierung von Aktionsplänen der Ministerien und der Überarbeitung der Förderpolitik für brasilianische Wirtschaftsunternehmen gelang es der Regierung, die illegale Abholzung zwischen 2005 und 2012 um 80 Prozent zu reduzieren - von etwas mehr als 16.500 auf etwas weniger als 2.800 Quadratmeilen - und damit den Kohlenstoffausstoß durch Brände radikal zu verringern. All das ist der Beweis, dass das Problem nicht chronisch ist und es eine Lösung gibt.
Im Jahr 2018 wurde jedoch Präsident Bolsonaro gewählt, der versprach, die Entwicklung zu beschleunigen und das Agrobusiness zu erweitern - in direktem Widerspruch zu Umweltschützern. Nun steht er vor einem Dilemma. Die Abkehr von der Umweltpolitik und die zunehmende Abholzung der Wälder untergraben nicht nur das Pariser Klimaabkommen, sondern auch die Verhandlungen über ein Handelsabkommen des Mercosur mit der Europäischen Union. Viele brasilianische Unternehmen, vor allem aus dem Sektor des Agrarexportes, sind besorgt und fordern die Wiederaufnahme von Umweltverpflichtungen.
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